Sanft schwappt das Mittelmeer-Wasser an die Klippen. Immergrüner Wald grenzt ans azurblaue Meer. Pinien verbreiten einen würzigen Duft. Und über allem erstrahlt der blaue Himmel. Wer von seinem Traumurlaub schwärmt, hat gewiss dieses Szenario vor Augen. Doch dieser Wunsch muss kein Traum bleiben. Rund 3.200 x 900 Meter ist dieser Urlaubstraum groß, der sich auf der Île Sainte-Marguerite erfüllt. Denn dieses Eiland ist die größte aller vier Lerins Inseln.
Die bewegte Geschichte der Île Sainte-Marguerite
Doch der Schein trügt. Denn nicht immer galt die Insel als der idyllische Rückzugsort, der es heute zu sein scheint. Wo heute Friede und Ruhe herrscht, war einst das Fort Royal – das Gefängnis von Cannes – zu Hause. Ursprünglich war das Fort darauf ausgerichtet, den Zugang zu Cannes zu schützen und bestenfalls sogar zu sperren. Der Grundstein für diese königliche Festung wurde 1617 gelegt, als der Architekt Jean de Bellon das Projekt ins Leben rief.
Der Verwendungszweck dieses Bauvorhabens war klar definiert. Denn darin sollten beispielsweise spanische Angreifer gefangen halten werden. Doch schon im Jahre 1687 entschied sich der Sonnenkönig dafür, den einstigen Wehrbau zum Staatsgefängnis umzufunktionieren.
Auf den Spuren von Musketier D'Artagnan
Noch im gleichen Jahr trug es sich zu, dass D'Artagnan als berühmtester aller drei Musketiere einen Mann in der Festung unterbrachte, der die Literaturen und Regisseure zu wahren Kunstwerken inspirierte. Leonardo di Caprio, Gerard Depardieu und John Malkovich schlüpften in einer berühmten Verfilmung in dessen Rolle. Die Rede ist natürlich vom Mann mit der eisernen Maske. Ganze 34 Jahre verbrachte der Mann mit der eisernen Maske im Gefängnis, und ganze elf davon auf der Île Sainte-Marguerite.
Isoliert und fernab des Tageslichts tristete der Mann sein Dasein, ohne an der Situation zu zerbrechen. Dessen Zelle mit Kamin war in Richtung Norden ausgerichtet. Das Fenster war mit drei Gitterstäben versehen. Sogar ein eigens für ihn eingestellter Gefängniswärter achtete akribisch auf den Häftling. Der einzige Grund, weshalb er die Zelle verlassen durfte, war ein Besuch der täglichen Messe.
Viele Rätsel ranken sich um den "Mann mit der eisernen Maske"
Die Herkunft dieses berühmten Gefangenen ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Beispielsweise ging Alexandre Dumas der Ältere davon aus, dass es sich dabei um den königlichen Zwillingsbruder des Sonnenkönigs handelt, der ihn verdächtigte, dessen Thron zu erobern. Andere Theorien besagen, dass es sich bei dem Mann mit der eisernen Maske um den Dramatiker Molière, einen Spion, einen unehelichen Sohn oder gar eine Frau handelt. Rund 60 Identitäten wurden rund um den Gefangenen diskutiert. Deshalb galt der Gefangene stets als lebendiges Geheimnis, dessen Gesicht niemand jemals gesehen hat und dessen Name niemand kennt. Damit ist der Mann mit der eisernen Maske bis heute eine lebendige Legende.
Tausende an Gefangenen verweilten auf der Insel
Die für dessen Transport zwischen mehreren Gefängnissen verwendete Maske ist heute im Verzeichnis der Bastille vermerkt. In diese Bastille wurde der Mann im Jahre 1698 verlegt, bevor er dort im September 1703 verstarb. Wie Voltaire in seinem Werk "Das Jahrhundert Ludwigs XIV." beschrieb, sei das Schutzschild aus Leder sogar mit eisernen Haken versehen gewesen, um die Kinnriemen zu bewegen. Ungefähr zwei Jahrhunderte wurde die Burg als königliches Gefängnis genutzt. Tausende an Gefangenen wurden vor Ort inhaftiert, ohne dass sie jemals die Chance auf einen Prozess erhielten oder ein Urteil ausgesprochen wurde.
Nachdem zuerst insbesondere protestantische Pastoren oder gläubige Hugenotten eingekerkert wurden, wurden ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in erster Linie politische Anführer und Gefangene in die Festung gebracht. Viele Inhaftierte ließen in dem Gefängnis ihr Leben und wurden dann auf einem der muslimischen Friedhöfe in Frankreich bestattet.
Spannende Einblicke im Festungsmuseum
An all diese Schicksale und tragischen Momente erinnert heute das Musée de la Mer, das in der Festung untergebracht ist. Hier können Besucher heute auch die Gefangenenzellen bewundern, deren gepanzerte Holztüren bis heute Gänsehautatmosphäre erzeugen. Seit Anfang der 1990er Jahre sind einige der Wandzellen außerdem mit Wandbildern verziert. Weitere Exponate sind antike römische Zisternen, in denen beispielsweise Teile von versunkenen Schiffswracks, Mosaiken oder Amphoren ausgestattet sind. Seit mehreren Jahrzehnten findet auf der Île Sainte-Marguerite außerdem ein Bauprojekt statt, an dem sich insbesondere Jugendliche ehrenamtlich beteiligen. Das Ziel des Projekts ist klar definiert. Denn damit sollen die älteren Bauten instandgesetzt und die Festungsmauern gesichert werden.
Ein Eiland zwischen Vergangenheit und Gegenwart
Doch all die Mühen lohnen sich. Denn heute begeistert die Insel als interessantes Ausflugsziel, das Geschichte und Gegenwart vereint. Denn während der zur Festung gehörige Brunnen oder der in Richtung Festungskapelle führende Weg aus dem 17. Jahrhundert stammen, präsentiert sich Cannes von der Aussichtsplattform der Festungsmauer mit Blick auf Cannes im Hier und Jetzt. Alles andere als altbacken ist außerdem auch das Méditerranoscope. Dieses kleine Aquarium ist eine beliebte Sehenswürdigkeiten auf den Lerins-Inseln.
Ebenso faszinierend ist der Anblick der Naturlandschaft, die auf der Île das Fort umgibt. Denn auf der 150 Hektar großen Fläche gedeihen riesige Wälder an Aleppo-Kiefern, Schirmpinien, Grün- oder Steineichen. Das Herzstück der Insel bildet außerdem eine aus Eukalyptusbäumen angelegte Allee. Wanderer kommen auf den insgesamt 21 Kilometer langen Routen auf ihre Kosten.
Die Naturlandschaft der Insel
Verführerisch duftet es nach blühenden Lianen und Efeu, das die Bäume umringt. Doch auch Zistrosen, Waldreben, Geißblätter, Myrten, Stechwinden und Mastixsträucher hauchen dem Eiland mediterranes Flair ein. Naturlehrpfade bahnen sich auf der Île Sainte-Marguerite ihren Weg und geben Einblicke in die hiesige Flora und Fauna. Wer sich am Auge in Auge zum Meer verlaufenden Rundweg orientiert, erreicht im Westen den Étang de Batéguier. Hier befindet sich ein Weiher, der in einem artesischen Brunnen Meer- mit Süßwasser vermengt.
Nicht weit davon ist eine Schilfzone entfernt, in der sich auch Zugvögel wie die Fluss-Seeschwalbe niederlassen. Diese Rastzone ist gewiss auch ein Grund dafür, weshalb die Insel schon seit vielen Jahren als Vogelschutzgebiet deklariert wurde. Um diesen Artenschutz zu erhalten, sind einige Territorien auch speziell für Besucher gesperrt. Ganz gewiss fällt es dem einen oder anderen Besucher besonders schwer zu wissen, dass der Anblick heimisch gewordener Tiere wie auf Fasane, Igel, Zwergohreulen, Nattern, Falken und Fledermäusen verwehrt bleibt. Denn all diese Tierarten leben hier auf der Île Sainte-Marguerite in trauter Eintracht miteinander. Auf dem Rundweg begegnen Sie ebenfalls malerischen Stränden und kleinen Buchten, an denen Sie nach Herzenslust Ihre Seele baumeln lassen können. In Richtung Süden eröffnet sich der Blick zur kleinen Insel der Île Sainte-Marguerite, die Insel der Seligen.